Hundegeschichten:Levi
Vorigen Herbst ging für mich ein Wunsch in Erfüllung. Nachdem ich Herrn W. auch nach persistentem Bitten und Flehen nicht davon überzeugen konnte, ein Begleiter auf 4 Pfoten wäre Balsam für meine achterbahnfahrenden Seele, war der Traum vom Hund schon um ein Haar Geschichte. In Eigenregie recherchierte ich monatelang nach einem passenden Gefährten und die Wahl fiel letztendlich nicht auf den Pudel, sondern auf den Flat Coated Retriever.
Eine weise Entscheidung, wie ich im Nachhinein feststellen sollte. Der gelehrige Retriever schien mir als treuer Familienhund, gutmütige Seele und schließlich und endlich auch zur intentionierten Hundetherapieausbildung, mit der ich -aus dem Sozialbereich kommend- schon seit längerem liebäugelte- sehr passend. Als ich den Flat das erste Mal in Natura zu Gesicht bekam, war ich schlichtweg ergriffen von dem kaschmirweichen Fell, der übersprudelnden Lebensfreude gepaart mit einem ausgeprägtem Spieltrieb.
So kam es, dass Herr W. schließlich resignierte und es blieb bei einer Abmachung: Wenn schon ein Hund ins Haus kommen sollte, dann bin auch ausschließlich ich für immer und ewig für den Hund zuständig. Und zwar für alles, was den Hund betrifft. “Kein Problem! Nichts leichter als das!” dachte ich und willigte in die Vereinbarung in enthusiastischem Übereifer ein. So kam es, dass Levi mit 8 Wochen bei uns einzog. Die Welpenzeit gestaltete sich jedoch komplizierter als ich jemals geahnt hätte…in Gedanken an meine von Hunden begleitete Kindheit schien mir der Flat Coated Retriever eine zusätzliche Herausforderung zu sein, die so gar nicht in meine aktuelle Lebensphase passte. Ein Jungspund, vor Energien strotzend, der sich nichts und niemandem zu beugen schien. Immer und überall mittendrin, um Unfug zu treiben und springend wie ein Hüpfball die Gegend unsicher zu machen. Auf der anderen Seite ich, die aufbrach, um die Ruhe in der Natur zu finden.
Irgendetwas schien nicht rund zu laufen. Lag es an mir? Am Hund? Oder gar an uns beiden? Sollte das der ruhigste Welpe aus dem Wurf sein? Kopfschütteln und Ratlosigkeit waren die Antwort.
Unzählige Trainingsstunden, das Wechseln von einer Hundeschule zur nächsten die Folge. Nichts schien zu greifen und Levi zeigte sich in der Gruppe von Hunden als ausufernd und extrem überfordert. Kraftlos und ausgelaugt sah ich mich in einer auswegslosen mißlichen Lage wieder. Zweifel und Selbstkritik machten sich breit. Hatte ich mich schließlich selbst wieder mal in eine prekäre Lebenssituation hinein manövriert…wie dumm und blauäugig von mir. Eine Einbahn, die mich für einen Moment erschaudern ließ und die ich nur mit Müh und Not, mit viel Training und Disziplin zu verlassen schien.
Die Monate vergingen. Der Hund erreichte nach Monaten die stattliche Größe eines ausgewachsenen Flat Coated Retrievers. Kaum zu bremsen wurde beinahe jeder Spaziergang zu einem kräftezehrenden Unterfangen. Bis ich zu dem Entschluss kam:
Abgesehen von den genetischen Prädispositionen, wie sie jede Hunderassen ihr eigen nennt, und dazu zählen beim Flat Coated Retriever nun mal überschwängliche Lebensfreude und extreme Hibbeligkeit in den Jugendjahren, hat der Hund neben seinem individuellen Charakter auch den sechsten Sinn.
Er spürt die Anspannung und Nervosität bereits aus der Distanz, er spürt, wer ihm wohlgesonnen ist und wer ihm gegenüber Antipathie empfindet. Salopp gesagt: er fühlt, wie es dir geht.
Und du kannst ihm das nie und nimmer verheimlichen, auch wenn du nach außen hin Coolness und Überlegenheit ausstrahlst oder vermeinst dies zu tun. Ups! Der wunde Punkt war getroffen. Ich sah ein: es ging wieder mal darum, nicht wieder in mein alter Muster der Überforderung zu fallen und mich unter Druck zu setzen und von anderen setzen zu lassen. Es geht vielmehr darum, auch innerlich Ruhe zu bewahren, auch mal alle 5 gerade sein zu lassen und seinen eigenen Weg zu gehen, egal was die anderen Hundebesitzer-oder Trainer dazu sagen. Sich inmitten eines Spazierganges, weit entfernt jeglichen Trubels (der übrigens sowohl Hund als auch Mensch überfordert) anzuhalten, sich für eine Weile niederzulassen und den Moment der Ruhe zu genießen, ohne von hierhin nach dahin hetzen zu müssen, das war mein neu gewonnenes Motto.
Eine Lektion, zu der mir Levi verholfen hat.