Alltagsgeschichten: 23 Monate Kleinkind
Sommerpause, Urlaub im Süden und jede Menge Neuigkeiten (mehr dazu in Kürze) haben uns den Sommer versüßt, unseren Alltag turbulent gestaltet, um mich dabei ganz vergessen lassen, dass das monatliche traditionelle Kleinkindupdate schon längst überfällig war. Deswegen nun flott ein ehrliches mit einem Augenzwinkern zu betrachtendem Review, ein Sammelsurium aus unserem bunten Alltag, noch ehe das Herbstkind seinen 2. Geburtstag feiert, und sich die ersten Blätter bunt verfärben.
Neuer Tick, alter Tick
Beim letzten Update vor 2 Monaten hatte ich freudestrahlend darüber berichtet, dass der gute alte Tick des Goldjungen, der sich über mehr als einem Jahr bis dato standfest aufrecht gehalten hatte, und der darin bestand, möglichst fest und unnachgiebig an den Haaren (aber nicht seinen eigenen) aus gesammelten Leibeskräften zu ziehen, und der sich als gängiges Beruhigungsritual zu Lasten der Eltern etablierte, aber einen höchst positiven Effekt für den Buben innehatte, sich plötzlich in Luft auflöste.
Und siehe da. 2 Monate später sehen wir uns gezwungen, zu revidieren: unser Plan ist DOCH nicht aufgegangen, und wir stehen exakt dort, wo wir bereits waren: beim Haareziehen, dieses Mal inzwischen mit weiterentwickelter Taktik. Es wird gezogen und gezwirbelt, was das Zeug hält.
“Ob es vielleicht doch an den Alternativen mangelt?” So unsere wiederaufkeimende Fragestellungen, um im selben Zuge resignierend festzustellen: “Aber nein. Das hätte wir ja alles bereits schon durch! Er nimmt ja keine an!”
Nichtsdestotrotz war es einen Versuch wert, und wir sahen uns in freudiger Laune und voller Hoffnung mit dem guten alten damals verschmähten Goldi Sauger aus Babyzeiten und dem Gedanken “er ist eh aus natürlichem Kautschuk, immerhin besser als Haareziehen” in der Hand.
Dieses verhältnismäßig große braune runde Monstrum, das nun besser zu seinen Proportionen passte als zu Babyzeiten, wie wir nüchtern feststellen mussten, erfüllte seine Zwecke durchaus. Zwar nicht um dem leidigen Haareziehen entgegenzuwirken, sondern um ein weiteres als lästig empfundenes essentielles Prozedere zu verkürzen, oder sagen wir besser, für alle Beteiligten erträglicher zu machen. Weiter geht’s zum nächsten Punkt, des lautet:
Wickeln? Ich doch nicht!
“Mamaaaa, der stinkt!” Das Fräulein läuft mir mit über ihrer Nase hoch erhobenen Fingern entgegen, während der Goldjunge das Weite sucht, und die exakte Gegenrichtung ansteuert. So schnell er kann läuft er weg, schlittert mit seinen Socken (warum ist er eigentlich nicht barufss unterwegs wie sonst auch immer?) über das Parkett und flitzt laut lachend in Richtung Türe ohne sich umzudrehen. Wissend, dass sich dieses schon allzu oft erlebte Theater, das sich seinen Weg in Richtung Wickelkommode bahnt, nur von kurzer Dauer sein würde, und in nicht allzu langer Zeit in einem Drama ausarten würde. “Vielleicht sollte ich die ganze Sache mal anders angehen, nicht so vorurteilsbehaftet, und einfach locker an die Sache rangehen?” so meine innerste Stimme. Ich atme einige Male tief ein und tief aus und sage zu dem Jungen mit entspannter, möglichst ruhiger und freundlicher Stimme, mit fester Überzeugung und mit einem Lächeln auf den Lippen: “R…., wir werden jetzt wickeln gehen.” Denn, das ist mir bewusst: je besser ein Kind auf eine Situation vorbereitet ist, desto gelassener reagiert es auf die Situation.
Ja, soviel zur Theorie. Zurück zur Praxis. Goldjunge außer sich. Zickzacklauf im Kinderzimmer, gerade noch die Kurve gekratzt, vorbei an Ecken und Kanten. Nicht zu vergessen: die Socken!
Und der Rest? Den darf ich euch milde lächelnd ersparen, denn ich weiß: jede und jeder kann ein Lied davon singen. Fazit unserer Geschichte: das Wickeln war ein äußerst schwieriges Unterfangen, begleitet von wildem Treten, Gekreische und Gezappel, vielen Tränen und einer Einsicht, die wir alle kennen: es ist schließlich nur eine Phase. Und der Goldjunge läuft kurz danach wieder freudestrahlend in bester Laune, so als wäre nichts geschehen, mit seinem lieb gewonnenen Goldi vergnügt durch die Gegend.
Entdeckungstour durch die Welt der Wörter
Es begann mit einem “ling” für Schmetterling noch ehe das allerorts gefürchtete NEIN Einzug hielt. Anstatt eines simplen JAs begnügen wir uns mit einem Kopfnicken mit Augenaufschlag, und MAMA und PAPA kommen wie aus der Pistole geschossen. Eines der Lieblingswörter AUTO war ein Dauerrenner den ganzen Tag über (und während des Schlafs, wie ich eines Nachts hörend und staunend etwas betreten vernahm). OK, er ließ sich mit dem Kommunizieren von Wörtern sehr viel Zeit, und die gaben wir ihm natürlich auch, ohne einen anderen Zustand mehr als zielstrebig herbeizuführen, im Bewusstsein dessen, dass jedes Kind seinen eigenen Rhythmus hat. Doch es gab sie, diese Situationen, in denen man sich insgeheim wünschte, er könne zumindest ansatzweise andeuten, was zum Teufel so einen Riesenaufstand und emotionalen Ausbruch herbeiführte, den ich törichterweise in der Situation heraus als nicht verhältnismäßig empfand, und absoluten Erklärungsbedarf hatte. Klar, ein Kleinkind im Trotzalter kann wie wir Erwachsenen in bestimmten Situationen nicht immer genau artikulieren, was genau ihn oder sie -überwältigt von Gefühlen - derart auf die Palme bringt. In vielen Momenten jedoch, in denen es lediglich darum ging, etwas Bestimmtes haben oder auch nicht haben zu wollen, wäre einer Schreiattacke durch einen Wortwechsel abzufangen gewesen.
Die Sommermonate haben auf wundersame Weise den Redefluß und die Neugier aufs Kommunizieren entfacht. Was auch immer die Motivation herbeigeführt hat, es ist offensichtlich, dass die Möglichkeit, mit Wörtern Klarheit zu verschaffen, ihn enorm anspornt und so wie ich den Eindruck habe, fröhlicher und zufriedener macht. Und es nimmt den Druck auf beiden Seiten, es entlastet und entschärft so manche Situation.