Der Goldjunge ist ein Herbstkind. Das Fräulein ein Frühlingskind und das dritte Kind wird ein Winterkind. Das hat genau so wie beim Goldjungen zwar den Nachteil, dass die Jahreszeit nicht unbedingt zu einem gemeinsamem Pläuschchen auf der Terrasse unter freiem Himmel einlädt, aber jede Jahreszeit hat seinen eigenen Zauber. Der Herbst ist aktuell mein Favorit, denn der Sommer war mir persönlich auch wegen der besonderen Umstände zu heiß und ermüdend. Der Herbst ist unbestritten die Jahreszeit, die an lauen lichtdurchfluteten Tagen das harmonischste Licht und die wärmsten Farbtöne hervorbringt.
The sun can’t shine every day
Momente des Unbehagens hatten sich in den letzten Monatenunweigerlich in unseren Alltag eingeschlichen. Bei jeder Situation, in der ein„nein“ von Seiten des Goldjungen zu erwarten war, erhielt ich nicht einmal das,sondern es wurde kurzerhand drauf los geschrien und getobt. Dinge wurden zuBoden geschmissen, und ich hatte den Eindruck, der Bube ist in diesem Zustand deremotionalen Überforderung gefangen, und findet aus diesem nicht mehr heraus. Einen klarenKopf bei diesem nicht enden wollenden Lärmpegel zu bewahren ist wahrlich kein einfaches Unterfangen, und so ertappte ichmich nach einer gefühlten Ewigkeit, die auch schon mal 40 Minuten anzuhaltenschien, dabei, meine Stimme zu erheben, mit der einzigen Intention, diesen belastenden Zustand zu verkürzen.Doch ich merkte: je mehr ich auf ihn einzureden versuchte und mit meinereigenen Stimme das Toben unterdrücken wollte, desto mehr verschlimmerte sichdie Gesamtsituation. Eigentlich eine total verständliche Konsequenz, aus der Fernebetrachtet, und rein theoretisch total nachvollziehbar, und klar, wem reißt nicht auch einmal der Geduldsfaden.
“Ausharren und abwarten”, so Option eins, oder dochlieber die Flucht ergreifen à la “aus den Augen aus dem Sinn” um das Weite suchen, wenn es gar nicht mehr gehen mag, so Option zwei. Einer Fragestellung an mich selbst und mein Bauchgefühl, das mich in solchen Situationen nie im Stich gelassen hatte.
Eines war mir klar: irgendetwas in mir sträubte sich gegen diese oft inRatgebern empfohlene AUSZEIT, dieser Wunsch, von unserer Seite, das tobendeKind würde sich (besser/schneller) beruhigen, wenn es von uns entfernt werden würde, in seinemeigenen Zimmer abgeschottet, mit dem einzigen Ziel, sich zu beruhigen. Diesesgezwungene Im-Zaum Halten und „denk doch mal nach und beruhige dich“-Methodefühlte sich für mich nicht richtig an, auch wenn ich zweifelsohne vor Jahrenbereits meine Erfahrung im Umgang mit Fräuleins Trotzanfällen damit gemacht hatte. Heute jedochkommen Zweifel bei dieser Methode auf, und ich stelle mir unweigerlich dieFrage:“Ist ein Kleinkind überhaupt fähig dazu, aufgeladen von Emotionen, ineine bestimmte Richtung über den Vorfall „nachzudenken?“ Oder braucht es nichtdoch uns Eltern, die dem Kind verhelfen, in einer solch verfangenen Situation,in der sie verstrickt sind, gemeinsam wieder herauszukommen?
Leichtigkeit
Klar, diese Vorfälle sind Teil des Kleinkindalltages, siesind essentieller Bestandteil der kindlichen Entwicklung und ein ja an sich positives Zeichen für die Autonomiebestrebungen des Kindes. Und sie sind unbestritten herausfordernd, aber zugleich merke ich, dass sich etwas Grundlegendes und Gravierendesverändert hat. Es ist wieder ein Stückchen Leichtigkeit in unseren Alltag eingekehrt. Erstens von meinerSeite, indem ich mir immer wieder vor Augen halte, warum dies und jenespassieren MUSS, und dass dies, so anstrengend es auch immer wieder sein möge,letztendlich ein positiver Prozess auf dem Weg zur Selbständigkeit des Kinderist, und kein Beharren auf „Machtübernahme“ oder gar Böswilligkeit undTyrannentum, denn mein Ziel ist eine liebevolle Begleitung und Verständnis für diekindliche Entwicklung. Letzen Endes wares sicherlich auch auf die sprachliche Entwicklung der letzten Wochen, ja sogar Tage zurückzuführen, die so mancheSituation entschärft hat. Kurz gesagt, wir verstehen einander um Welten besser,und ehrlich gesagt, war es für mich als Mutter eine riesige Herausforderung,erst einmal zu verstehen und herauszufiltern, worum es dem Goldjungen in somancher Situation ihn aufreibenden Situation eigentlich ging.
JA statt NEIN
Kaum zu glauben, da noch sehr frisch, und ich klopfe bei dieser Gelegenheit auf Holz und muss mir rein beim Gedanken daran ehrlich gesagt etwas ungläubig ein Schmunzeln verkneifen, aber der Goldjunge hatuns von einem Tag auf den anderen überrascht und bringt uns immer wieder damitzum Lachen, und zwar mit den neu gefundenen Worten:
Ja.Ja. Jaaaaa!
Er liebt es und hat gleichzeitig eine Riesenfreude damit, JA zu sagen.Erst einen Tag vor seinem Geburtstag trat die große Wende ein, und ich musstedirekt 2 Mal nachfragen, was ich da gehört hatte. Denn: derGoldjunge beantwortete bis dahin jede Frage unverkennbar und äußerst resolut mit einem knappen NEIN,auch wenn (!) er JA meinte. Ja, auch wieder hier: es bedarf einer akribischen Beobachtungsgabe meinerseits, denn man stellte sich insgeheim die Frage, was er uns denn bloß in Wirklichkeit mit seiner Aussage sagen mochte. Ein Beispiel gefällig?
„Magst du einen Apfel?“ „Möchtest du in den Garten gehen?“oder auch „Hat dir das Spaß gemacht?“ Der einheitliche Tenor war stets ein sehreigenwilliges NEIN. Folglich sah ich mich gezwungen, ihn vor dem Aufbruch weg von zu Hause sicherheitshalber doch noch einmal nachzufragen, was aber oft wiederum zur Folge hatte, dasser dann zu kreischen begann, weil das NEIN eigentlich ein JA zu bedeuten hatte.
Lang Ding braucht bekanntlich Weile, und alleine aus diesem Grund (und ja, ichhabe es ausgetestet, ein heutiges JA bedeutet kein NEIN!) ist momentan alles um einVielfaches einfacher!
Der Goldjunge zelebiert das neu gewonnene Wort, und mansieht es ihm an: er hat Freude damit! Und wir mit ihm!
Kipper, Frontlader, Betonmischer…und was bitte ist ein Dumper?
Als ursprüngliche Mädchenmama hat man nicht wirklichEinblick in die äußerst umfangreiche Welt der Fahrzeuge und deren fachmännischenBezeichnung. Zumindest nicht, wenn man selbst kein Interesse an Fahrzeugenhegt. Ich war ein Kind, das liebend gerne mit Puppen spielte, aber mit Autosabsolut nichts am Hut hatte. Das Fräulein tendiert da in eine andere Richtung (ihr größter Wunsch zu Weihnachten ist einferngesteuertes Auto), aber in jüngeren Jahren war auch bei ihr keinerleiLeidenschaft für Fahrzeuge erkennbar, auch wenn sie seit Anbeginn an eine großeKiste mit Matchboxautos, ein Relikt aus Herrn W.s Kindheit, ihr eigen nannte.
Wieder anders der Goldjunge. Nicht, dass ich es nicht ausprobierthätte mit diversen Alternativen, wie einer kuscheligen Waldorfpuppe, deren roteHaarpracht einst dazu dienen sollte, denHaartick des Bubens umzulenken, was sich jedoch leider bis heute erfolglos erwies (ich berichtetebereits in den vorherigen Kleinkind-Updates hier und hier). Fakt ist: Bausteine, ja nicht mal Werkzeugoder Bücher, in denen KEIN Fahrzeug vorkommt, haben eine Chance, in die Ligader liebsten Spielzeuge aufgenommen zu werden. Aber auch nicht die geringsteChance.
In einemunbeobachteten Moment setzte ich dem Goldjungen ein neues Buch mit liebevoll gemalten Waldbildern und Waltieren vor, detailgetreu bebildert in einem wundervollenHerbstbuch. Sogleich verschanzte ich mich hinter einer Ecke und spähte mitgroßem Interesse hinüber, in neugieriger hoffnungsvoller Erwartung, der kleine Fahrzeugfan würde denInhalt des Buch mit Begeisterung aufnehmen. Und siehe da, blätternd von hintennach vorne - so wie er es immer tat - und in weiser Voraussicht, auf der letzten Seitebefinde sich ein Überblick über die gesamte Bücherreihe, legte er das Buch resigniertund völlig desinteressiert weg, war er doch in freudiger Erwartung, es befände sich darindoch ein Buch über Fahrzeuge! Sein Kommentar zu dieser Geschichte:“ Autospielen“., und weg war er.
Neben Brio Bahn und Co ist es inzwischen unser neuerTeppich, der nun als kuschelige Unterlage für die vielen uralten Modellautos aus dem Jahre Schnee (sie stammen tatsächlich vom Sperrmüll) herhalten muss. Der Baumwoll-Teppich ist in Windeseile zusammengerollt, und begleitet uns schon malvon Küche ins Wohnzimmer oder an schönen Tagen wie diesen auf die Terrasse.
“Da können wir auch einen Wald darauf machen!” so Fräuleins Idee, die immer die besten Ideen hat, und zeigt auf die auf dem Schulweg gesammelnten Eicheln, Kastanien und Nüsse. Sie gruppiert sie liebevoll um den Bären und den Wald auf dem Teppich, gemeinsam mit den bunten Blättern, die sich auf der Terrasse befinden. Und siehe da, schon ist die nächste Spielidee erfunden. Es müssen ja nicht immer Autos sein :-)
Ich wünsche euch eine hoffentlich sonnige Herbstwoche ohne Regen!
Eure Tina