Mit Achtsamkeit durchs Wochenbett
Ein herzliches Hallo aus dem Hause titantina direkt im Anschluss an das Wochenbett!
Die Zeit der Ruhe nach dem Sturm, das erste zaghafte und manchmal auch von Emotionen gebeutelte Kennenlernen und Willkommenheissen unseres neuen Menschenkindes Anfang März ist wie im Fluge vergangen. Mein Wochenbett war geprägt von einer noch nie zuvor dagewesenen Sehnsucht nach Ruhe und dem Wunsch, jeden Moment des Kennenlernens in all seiner Einzigartigkeit zu genießen und bewusst wahrzunehmen. Sowohl bei einer Mehrfach- als auch bei einer Erstlingsmama kann der Wunsch nach einem erholsamen, ruhigen Wochenbett gleichermaßen auf Grenzen stoßen, denn es kommt wie immer auf die verfügbaren Gegebenheiten, die bestehende Familienkonstellation, die Möglichkeit, diese unerlässlichen unterstützenden Maßnahmen in seinem Leben realisieren zu können, und natürlich auch auf seine eigene Einstellung an. In meinem Fall war von Anfang an klar: ich werde mir zur Umsetzung meiner Wünsche Unterstützung holen, um das Wunder der Geburt zu genießen und den Sturm an Emotionen, die mit diesem gewaltigen Ereignis nicht nur bei der werdenden Mutter, als auch ihres gesamten nahem Umfeldes und insbesondere der Geschwisterkinder freigesetzt werden, in vollsten Zügen auszukosten. Dies alles mit liebenswerter und beinahe aufopfernder Mithilfe von Herrn W, der in dieser Zeit die Vorteile eines Papamonats kennenlernen durfte.
Reflexion: Geburtserlebnis Revue passieren lassen
Nach dem Erlebnis Geburt wird die eine oder andere mit einer Vielzahl an intensiven oft ambivalenten Gefühlen konfrontiert, je nachdem, welchen Verlauf die Geburt genommen hat, und wie das körperliche und seelische Empfinden zu dem Zeitpunkt ist. Sind wir zufrieden und schweben entzückt im Mamahimmel oder sind wir enttäuscht oder wütend auf das Erlebte. Hätten wir uns die Geburt anders vorgestellt? Sind wir mit falschen Erwartungen an die Geburt herangegangen, oder waren wir sogar überfordert damit? Hätten wir uns einen anderen Verlauf gewünscht, und haben wir sogar mit schmerzhaften Geburtsverletzungen zu kämpfen, die einem das momentane Leben zur Qual machen? Sich in Augenhöhe mit den Emotionen zu begeben, sie wahrzunehmen und in Folge sowohl Positives als auch Negatives anzunehmen, ist Teil der achtsamen Praxis, und trägt nebenbei positiv dazu bei, das Geschehene zu verarbeiten.
Eine wertschätzende Einstellung zu seinem Körper einzunehmen, der in den letzten Monaten bis hin zur Geburt Unglaubliches geleistet hat, alle positive Momente Revue passieren zu lassen und sie vielleicht sogar als wertvolles persönliches Erinnerungsstück auf Papier zu bringen, ist von unsagbarem Wert für Körper und Seele. Versuchen wir, auf das kleine aber so gewichtige Wort “aber” zu verzichten, und die Selbstkritik beiseite zu lassen, ist das bereits der erste Schritt zu einer veränderten positiven Anerkennung dessen, was wir in dieser bewegten Zeit erlebt haben.
Auch ein kommunikativer Austausch kann Balsam für die Seele sein. Gespräche mit einem lieb gewonnenen Menschen oder der bei der Geburt anwesenden Begleitperson können sehr heilsam sein, auch, um eine andere Sichtweise als die eigene auf das Geschehen zu erlangen. So erging es mir selbst im Gespräch mit der bei der Geburt anwesenden Hebamme, die zur Geburt folgende mich sehr überraschende und bewegende Worte fand:” Es war eine wunderschöne Geburt, du hast das so toll gemacht!”
Den Moment genießen - Mehrwert Slow Life
Im Zuge meiner Schwangerschaftsvorbereitung, die auf Achtsamkeit ausgelegt waren, hatte ich bereits den Fokus auf Entspannung und Atemtechniken gelegt. Sie sollten mich bei meiner Geburt begleiten und hatten sich tatsächlich als unglaubliche Unterstützung erwiesen, und ich bin überzeugt davon, dass sie den anfangs verlangsamten Geburtsverlauf positiv vorantrieben, ohne mir all meine Kräfte ob der fortgeschrittenen Stunde zu rauben, und nicht in die totale Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit abzudriften. Im Rahmen der achtsamen Geburtsvorbereitung wurde ich mit dem Begriff der Hortikulturzeitvertraut. So wie die Natur ist die Geburt ebenso ein Teil davon, auch wenn wir in der industrialisierten Gesellschaft unseren Fokus auf Schnelllebigkeit setzen, uns allzu oft hetzen und vorantreiben. Multitasking ist in aller Munde, wir setzen uns unter Druck, und versuchen, alles unter einen Hut zu bringen, und das meist in kürzester Zeit. Die Hortikulturzeit ist da anders. Das wird uns spätestens dann bewusst, wenn wir das Wachsen und Gedeihen in der Natur unter die Lupe nehmen. Die Auseinandersetzung mit diesem Konzept kam mir persönlich während des Geburtsverlaufes zugute, indem ich mir immer wieder während des zögerlichen Voranschreitens der Geburt, ins Bewußtsein rief: ” Es dauert eben so lange, wie es dauert.” Und der Krankenhausalltag musste eben warten.
Den Moment genießen, Glücksmomente konservieren. Der erste weiche Hautkontakt mit dem Winzling, der erste Augenaufschlag, die feinen Härchen an den Ohren, die verrunzelten kleinen Finger mit den bereits langen Fingernägeln…Glücksmomente konservieren und die Einzigartigkeit eines kleinen Lebewesens zu erleben ist Achtsamkeit par excellence. Vielleicht werden wir uns dadurch bewusst, dass das Neugeborene gar nicht so hilflos erscheint wie wir glauben! Höchstwahrscheinlich ist es schon in der Lage, unglaubliche Kräfte zu mobilisieren, um an die Brust heranzukommen und den Kopf in Richtung Nahrungsquelle zu bewegen.
In dem Bewußtsein, wie schnell diese erste Lebenszeit verfliegt, fällt es uns nicht schwer, uns mit all unseren Sinnen dem zu widmen, was uns gerade den Atem raubt: der Zauber der ersten Lebensstunden!
Selbstfürsorge
Mini Auszeiten für Mama sind ein Segen für Körper und Geist. Und sie haben auch einen essentiellen Nebeneffekt: sie kommen dem gesamten Umfeld zugute. Wenn man an Auszeit in der anfänglichen Babyzeit denkt, dann machen sich vielleicht bereits Anzeichen von Skepsis breit, a la “wie kann ich mir eine gezielte Auszeit nehmen, wenn der Säugling noch keinen Tag/Nachtrhythmus hat?” oder -sofern es sich um eine stillende Mama handelt - “Auszeit und Stillen, das ist doch nicht miteinander vereinbar?” Und doch sage ich: ja, das kann funktionieren! Denn ich spreche nicht von zeitlich ausgedehnten Auszeiten, sondern von diesen Mini-Auszeiten über den gesamten Tag verteilt. Setze ich den Fokus neben Baby und Familienleben nicht ausschließlich auf Haushalt und all den Verpflichtungen, die damit in Verbindung stehen, bleibt mir auch während der Schlafpausen eines Neugeborenen Zeit, um mich einer kleinen aber feinen Miniauszeit zu widmen. Auch wenn es nur eine Tasse Tee oder Kaffee ist, die ich bewusst und in aller Ruhe genieße, oder ein paar Seiten aus einem Buch. Eine andere gute Alternative: ich verbinde Angenehmes mit Alltäglichem und der oft so verpönten Hausarbeit, indem ich zum Beispiel Wäsche aufhänge während im Hintergrund meine Lieblingsmusik laufen lasse. Auch während des Stillens bleibt immer Zeit für das Meditieren und Atemübungen, und so fängt man 2 Fliegen auf einen Schlag.
Einfach gesagt: ich tue da, was mir gut tut, und aus dem ich Kraft schöpfen kann. Damit ich aus dem verinnerlichten TUN Modus austreten kann, und es mir selbst erlaube, passiv zu sein.
Achtsame Körperpflege
Wir sind gewohnt, den Vorgang des Wickelns und des anschließenden Anziehens des Babys so rasch wie möglich umzusetzen. Bei so manchem Baby (OK, ich kenne nur ganz wenige, die diesen Prozess sehr entspannt über sich ergehen lassen) endet er in einem Schreikonzert, und auch beim Anziehen lässt das Baby seinen Unmut seinen freien Lauf. Und wir? Klar, wie reagieren darauf gewöhnlich mit Stress und gesteigertem Tempo, mit dem einzigen Grund: der leidigen Situation ein Ende zu bereiten. Jedoch hat mir die Erfahrung gezeigt, dass es sich auch hier lohnt, einen Weg der Sanftheit und Achtsamkeit auszuprobieren. Auf sanftem Wege kann der tagtäglich wiederkehrende Prozess der Körperpflege unter Einbindung von bestimmten Ritualen wie Bauchmassage mit gut riechenden Babyölen die Bindung fördern, und salopp gesagt, es tut beiden Seiten gut, und vielleicht kehrt sogar der erhoffte Wohlfühlfaktor ein, und beide Seiten sind entspannt. Utopie und reine Theorie? ich sage: einfach ausprobieren! Und vielleicht wird durch ein behutsames und bewusst verlangsamtes An- oder Ausziehen der Wickelort zu einem Highlight in der Begegnung mit dem Kind.
Nimm dir Zeit
Nicht nur wir Eltern sind es, die den neuen Erdenbürger sehnlichst erwarten. Auch unser nahes Umfeld fiebert mit. Die einen entspannter die anderen wiederum machen den Eindruck, als würden sie es schon gar nicht mehr erwarten können. Vielleicht gibt es diejenigen, die immer und überall up-to-date sein wollen, dies auch einfordern, oder wiederum andere, die mit all ihren Kräften mithelfen wollen, die neue Situation gemeinsam zu meistern, und dabei -wir kennen sie alle- gut gemeinte Ratschläge erteilen.
Und auch wenn sich die oder der eine oder andere auf den Schlips getreten fühlt, lohnt es sich, diese besondere Zeit mit all jenen zu teilen, mit der man eine vorurteilsfreie kritiklose Beziehungen hegt, denn diese sind es ausnahmslos, die einem gut tun, und einem Kraft verleihen. Vielleicht stresst uns allein der Gedanke an diese eine Person derart, dass ich das erste Kennenlernen intuitiv auf einen späteren Zeitpunkt verlege, denn es ist OK, wenn mein Gefühl mir dazu rät, mich keiner potentiell streßbehafteten Situation auszusetzen.
Die Eingewöhnungszeit ist eine derart intensive Zeit, die die bisherige Familienkonstellation auf den Kopf stellt und die mitunter bei Geschwistern nicht ohne Konflikte und vermehrten Dramen abläuft. Umso wichtiger ist es, einen ruhigen, entspannten Raum für die ersten Begegnungen zu schaffen, auch im Sinne von Beziehungen zu allen anderen Verwandten und Bekannten. Es erfordert viel Zeit und Raum für die bestehende Familie oder das neue Elternpaar, sich dem neuen Erdenbürger zu widmen, und natürlich auch viel Geduld und Verständnis für die gravierend veränderte Lebenssituation. Gerade dann, wenn sich bereits ein weiteres kleines Kind im Familienverband befindet.
In diesem Sinne: Nimm dir getrost so viel Zeit wie du benötigst!
Digital Detox
Social Media hat es in sich. Einerseits verbindet es Gleichgesinnte auf virtueller Eben, andererseits löst es unweigerlich eine oft subtile Form von Abhängigkeit aus. Eine Beobachtung, die bei mir besonders in der Schwangerschaft einen fahlen Beigeschmack aufkommen ließ. Es machte sich der Wunsch breit, ein paar Tage offline zu sein, um nicht permanent an den Gedanken (durchwegs positiver Natur!) an den digitalen Inhalten festzuhängen. Sie beflügelten zwar meine Kreativität, übten andererseits auch eine gewisse Art von Druck in mir aus, denn sie spornten mich unentwegt zu neuen kreativen Ideen an. Diese gewonnenem Impulse und deren Umsetzung
hatten bis dahin mein Leben abseits des Familienlebens immer mitgestaltet, und es ist nicht zu verleugnen, das sie mit der Zeit einen zentralen Stellenwert eingenommen hatten. Jedoch haben sie sich auch als Zeiträuber erwiesen und ich habe mich bewusst dazu entschieden, sie in dieser ganz besonderen Zeit des Wochenbetts beiseite zu lassen bzw. sie komplett einzustellen. Innerhalb von nur wenigen Tagen meines eigenen digitalen Detoxplanes wurde mir bewusst, wie belanglos diese alltäglich gewordene Routine im Vergleich zu dem ist, was gerade in MEINEM Leben passiert. Und es ist plötzlich ganz simpel, im Hier und Jetzt zu bleiben. Zu genießen und nicht permanent an Ideen zu feilen, die im Hinterkopf auftauchten.
Hinterlasst mir gerne einen Kommentar, welche Ideen ihr für das Wochenbett liebgewonnen habt!
Wurdet ihr mit Tipps und Ratschlägen aus eurem Umfeld konfrontiert, die ihr rückblickend anders handhaben würdet?
Was ist euch persönlich wichtig: kommunikativer Austausch mit euren Verwandten und Bekannten so rasch wie möglich oder seht ihr es so wie ich: eine Verschnaufpause einlegen und eine ruhige Umgebung schaffen?