Meine Stillerfahrung zum Thema Beissen und Stillstreik Teil 2
Ein Stillstreik des Babys tritt oft sehr unverhofft auf und versetzt die Mutter in Alarmbereitschaft. Wir haben diese schwierige Phase durchgemacht, als das Baby 10 Monate alt war. Wie wir es geschafft haben, das Stillen dennoch fortzusetzen, erzähle ich euch heute.
In Teil 1 konntet ihr bereits über meine Erfahrungen mit dem allerersten Stillstreik in Verbindung mit dem Beissen des Säuglings nachlesen. Heute nähern wir uns den letzten Tagen und dem Ende des Stillstreiks an, und ich erzähle euch, welchen Weg wir einschlugen, und was ich euch unbedingt mit auf den Weg geben möchte, ohne jedoch zu verallgemeinern oder einen Weg als den richtigen zu proklamieren. Es handelt sich rein um meine persönlichen Erfahrungen, die ich mit dem Frühlingskind, der zu diesem Zeitpunkt 10 Monate alt war, gemacht habe.
Auf diesem, unseren Weg, die Stillbeziehung fortzusetzen trotz all der Komplikationen, die sich uns in den Weg stellten, haben sich einige AHA Erlebnisse aufgetan. Ich habe Kontakt mit Profis auf diesem Gebiet aufgenommen und möchte dieses Wissen gerne mit euch teilen, solltet ihr in einer ähnlichen Lage stecken. Ich möchte euch Hoffnung geben und zeigen, dass es eine Lösung auf diese Probleme gibt, welche Entscheidung auch immer ihr treffen werdet. Entscheidet ihr euch dazu, die Stillbeziehung fortzusetzen oder entscheidet ihr euch für das Abstillen: beides hat seine Berechtigung, denn IHR seid es, die Entscheidungen trefft für eure Kinder und für euch selbst. Ihr selbst wisst, was für euch am besten ist, und Vergleichen ist hier absolut fehl am Platz.
Tag 3
Nachdem das Frühlingskind bereits in der Nacht wieder in gewohnter Manier getrunken hatte, stellte sich jedoch tagsüber wieder das gewohnte Verhalten der letzten Tage ein: die Verweigerung der Brust. Mit dem einzigen Unterschied, der mir erlaubte, Kontrolle und Sicherheit darüber zu besitzen, dass die Anschaffung einer elektrischen Milchpumpe vom Sanitätsbedarf für entspannteres Abpumpen sorgte und garantierte, dass sich in der Zwischenzeit kein Milchstau wie in den Tagen davor, entwickelte. Ich hatte augenblicklich das Gefühl, dass durch das Gerät ein effektiveres und schonenderes Abpumpen durch die individuell regulierbare Abpumpstärke und einer Simulationsphase möglich war, das mich von dem Druck der vergangenen Tage enorm entlastete.
Tag 4
Dennoch verspürte ich den dringenden Wunsch, eine erfahrene Stillberaterin zu konsultieren, um ihr die Gesamtsituation näherzubringen, denn ich hatte den Entschluss gefasst, alle nur erdenklichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich mir boten. Am Abend telefonierte ich mit Inge, einer Stillberaterin der IBCL, die mir Mut zusprach und mir wertvolle Erfahrungsberichte und Tipps, die ich weiter unten anführen werden, mit auf den Weg gab.
Die Hoffnung auf ein Fortsetzen des Stillens kehrte langsam aber doch zurück, und ich wagte in der Nacht des 4. Tages des Stillstreikes einen erneuten Stillversuch. Und siehe da: das Stillen in der Nacht und am darauffolgenden Morgen war von nun an ohne Beissen möglich!
Tag 5
Ich pumpte in geringem Ausmass weiter ab, um die Brust nach diesen Turbulenzen wieder an das Stillen heranzuführen. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass sich die Milchproduktion um einiges rascher den neuen "alten" Bedingungen anpasste als ich selbst. Es bestand kein Zweifel: die angespannte Lage hatte sich nun endlich beruhigt, und ich konnte endlich aufatmen. Es hatte sich gelohnt, nicht aufzugeben, und ich war stolz darauf, dass wir es mit vereinten Kräften doch noch geschafft hatten. Das Frühlingskind verzichtete an Tag 5 auf die Stillmahlzeit tagsüber, und nahm seine erste Stillmahlzeit erst wieder beim Schlafengehen um 19 Uhr zu sich. Mit einer drastischen Veränderung: zu Mittag aß er erstmalig ungewöhnlich viel, und er wirkte dabei sehr fröhlich und wie ausgewechselt!Die Lage hatte sich entspannt, der Stillstreik war überwunden, und wir waren in einem neuen Kapitel gelandet!
Entspannung - höchstes Gut
In einem Punkt waren sich alle einig, die über jede Menge Erfahrung und Expertise im Bereich Stillen verfügten: der Fokus der Mutter sollte bei einem Stillstreik auf Entspannung liegen. Es deutete nämlich alles darauf hin, dass der Auslöser für den Stillstreik eine streßbehaftete Situation gewesen war, und dass der Säugling auf diesen innerlichen Druck mit Beißen an der Brust reagierte. Doch einfacher gesagt, als getan. Ich reflektierte das gesamte Wochenende, das den Stillkomplikationen vorausging, und mir wurde bewusst, dass ich -so cool ich nach außen hin auch gewirkt haben möge- ich mich ordentlich unter Druck gesetzt hat. Die geplanten Unternehmungen, die Mehrfachbelastung einer Mutter generell und viele andere Faktoren trugen sicherlich dazu bei, dass sich die Situation derart zuspitzte. Sich seines Stresses bewusst zu werden und Maßnahmen zu setzen, um das zu tun, was gut tut, Freude bereitet und entlastet, ist essentiell. Dabei dürfen wir nicht vergessen, uns Hilfe zu holen, damit wir aus dem Teufelskreis der Überlastung ausbrechen können.
Tipps der Stillberaterin
Die kompetente Stillberaterin hat mit ihren Ratschlägen und ihrem empathischen Wesen in erheblichem Ausmass dazu beigetragen, dass sich die Stillproblematik "leichter" anfühlte, und der Funke Hoffnung wieder zu spüren war, der mir in den Tagen davor abhanden gekommen war. Sie war diejenige, sie mich aufmunterte, mit dem Säugling vermehrt zu kommunizieren. Ein Baby mit 10 Monaten nimmt mehr wahr, als wir glauben! Entspannung sei höchstes Gut im Heilungsprozess, so auch die Überzeugung der Stillberaterin.
Sie empfahl mir, die abgepumpte Muttermilch dem Baby anstatt in einer Flasche aus einem Becher oder einem Glas trinken zu lassen. Ein weiser Ratschlag, denn dies könnte -so auch meine allererste Intuition- zu einer Saugverwirrung führen und somit dazu, dass der Säugling die Brust verweigerte, und das wollte ich keinesfalls riskieren. Auf meine Frage, wie lange ein Stillstreik in der Regel dauerte, meinte sie, es würde keine Wochen sondern der könnte einige Tage andauern, und in dieser Zeit wäre es ratsam, anstatt Breiigem Familienkost anzubieten, und zwar genau dann, wenn die Familie ihre Mahlzeiten einnimmt. "Kein Säugling, der nicht gerne und schon viel isst und keinen Schnuller hat, stillt sich selbst mit 10 Monaten ab", der wohl bedeutungsvollste Satz, der als mein absoluter Hoffnungsträger galt. Solange sich der Stillstreik nicht gelegt hatte sollte ich mit der elektrischen Pumpe die Milchproduktion weiter anregen, und versuchen, das Baby wie bisher nachts zu stillen, und auch tagsüber einen Versuch zu wagen, sofern ich das zuließ.
Die Gründe eines beißenden Säuglings, einer Komplikation, die bei stillenden Müttern tatsächlich häufig vorkommt, seien eng mit dem Zahnen des Babys verknüpft. Laut Aussagen der Stillberaterin würde sich die Situation bald wieder geben, und die Stillbeziehung könnte mit großer Sicherheit wieder fortgesetzt werden, wenn das meinem Wunsch entsprach.
Aus einem Problem erwächst etwas Gutes
Mehr Achtsamkeit beim Stillen
Ich wurde mir plötzlich bewusster, dass das Stillen in vielen Momenten über den Tag verteilt aus Zeitmangel oft "nebenher" ablief. Ich ertappte mich sogar dabei, dass ich, während ich stillte, anderwärtig beschäftigt war, und mich anderen Dingen widmete. Ich scrollte durch den Feed scrollte oder checkte meine Emails. Ich war nicht voller Konzentration bei der Sache sondern mich hatte das Multitasking fest im Griff. Und genau hier liegt das Risiko, dem man erliegen kann, wenn man hunderttausende Dinge im Kopf hat wie beispielsweise eine lange abzuarbeitendede To-Do Liste: die Gedanken schweifen ab und wir verlassen die Gegenwart, indem wir uns auf zukünftige Erledigungen fokussieren, die uns höchstwahrscheinlich unter Druck setzen. Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass das Stillen positiv dazu beitragen kann, wenn wir diese Stillpausen als eine Pause in uns verankern, die uns Abstand vom Tun und von alltäglichen Verpflichtungen verschaffen kann, wenn wir im Moment verbleiben.
Warum Achtsamkeit bereits in der Schwangerschaft eine große Rolle für mich spielte könnt ihr übrigens in meinem Artikel zu Achtsamkeit in der Schwangerschaft für Little Big Heart nachlesen.
Eintritt in eine neue Lebensphase
Anfangs machte es den Eindruck: nichts ist mehr wie es war. Es mutete nach einem neuen Lebensabschnitt an, der mit einer bahnbrechenden Entwicklung einherging. Notwendigkeit, dass diese Phase eintritt, Selbständigkeit nicht nur was das Essen betrifft sondern auch das Einschlafen. "Loslösung" Eigenständigkeit besserer Schlaf. Distanz zur Brust war notwendig, um den nächsten Schritt einzuleiten: das Essen. Wende war begleitet von ambivalenten Gefühlen, die sichtbar wurden in dem vermehrt quengeligen Verhalten des Frühlingskindes, Unmut über diese Veränderung.
Gut vernetzt
Bei meinem dritten Kind kann ich inzwischen auf ein vielfältiges, unterschiedliche Kompetenzen abdeckendes Netzwerk an Fachfrauen zurückblicken. Das war aber nicht immer so! Hebammen und Stillberaterinnen, die mit dem Thema am besten vertraut sind und viel Erfahrung mitbringen erweisen sich oft als Retterinnen in letzter Not. Auch eine Mehrfachmama ist nicht gefeit davor, dass sie vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, und in dem Moment, auf den es ankommt, eingeschränkt ist in ihrer Handlungsweise, vor allem dann, wenn sie von Schmerzen begleitet wird. Die Profis auf dem Gebiet sind da, um uns den Rücken zu stärken, Mut zuzusprechen und Tipps zu geben. Eine Vertrauensbasis zu schaffen, die eine Heilung erst möglich macht. Man muss kein Einzelkämpfer sein und alles alleine meistern können, auch wenn auch ich dazu tendiere, am liebsten alles in Eigenregie zu bewerkstelligen, aber wir müssen uns klar sein: wir Müssen uns nichts beweisen! Hilfe in Anspruch nehmen und diese auch annehmen zu können ist manchmal eine ganz schöne Herausforderung, und eine Absage an die Perfektion, jedoch öffnet sie auch weitere Türen und lässt uns vor allem eines: ausatmen.
Mein Resumé
Rückblickend aus der Distanz heraus betrachtet hat der Stillstreik und die damit verbundenen Frustrationen seinen lähmenden Charakter und einer Schwere, die mich enorm unter Druck setzte, verloren. Ich blicke versöhnlich und gestärkt auf die Geschehnisse zurück, die meine Sichtweise auf einige Dinge geändert haben, und meinen Tatendrang entfacht haben.
Ich denke, es war in einem Zusammenspiel von mehreren Faktoren begründet, dass Stillstreik mit Beißen mit einer akuten Brustentzündung einherging. Wie so oft entwickelt sich eine eigene Dynamik, und eines folgt auf das andere. Diese Faktoren spielen nicht unabhängig voneinander zusammen, und sie sollten definitiv in ihrer Gesamtheit betrachtet werden.So meine ich zu behaupten, dass nicht alleine das Zahnen das Beißen ausgelöst hat, sondern vielmehr begünstigt hat. Die Auslöser dafür sind vielfältig, und als einen triftigen Grund würde ich ohne zu zweifeln das streßbehaftete Wochenende nennen, und auch den Übertritt des Babys in eine neue Lebensphase. Da die Stillintervalle in den vorhergegangenen Wochen wieder sehr kurz waren, war eine gewisse Distanz zur Brust sicher notwendig, um Weichen für die Teilhabe am Familientisch zu legen.
Was nehme ich mir mit? Was hat mich diese Herausforderung gelehrt, und inwieweit hat sie mich persönlich weitergebracht?
Ich bin überzeugt davon, dass aus jeder Misere etwas Gutes erwachsen kann, auch wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt oft nicht sichtbar ist, und man in gewisser Weise in dem Dilemma hoffnungslos feststeckt. Wir haben das Gefühl, je energischer wir uns daraus befreien wollen, desto schwieriger ist es. Dieser Eindruck täuscht nicht, denn je mehr Energie wir dafür aufbringen, diesen Zustand zu bekämpfen, desto weniger bleibt uns für uns selbst übrig.
Geduld und Vertrauen auf das, was die Expertise mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet anraten, auf seine innere Stimme hören und die Zeichen des Babys beachten, feinfühlig sein und Hoffnung nicht verlieren, all das ist essentiell. Meine Erfahrung hat gezeigt: man setzt sich selbst massiv unter Druck, man fühlt sich vielleicht sogar "unwissend" und strebt danach, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden. Manchmal erfordert es ein langsames Herantasten, so sehr man sich auch danach sehnt, die Herausforderung zu überwinden, und zwar so rasch wie möglich. Unterschiedliche Meinungen einholen und sich langsam herantasten anstatt zu überstürzen, das sind meine Tipps, mit denen ich immer sehr sparsam umgehe, die ich aber in diesem Fall sehr gerne an euch weitergebe.
Auch denke ich, dass Babys sehr feinfühlig und intuitiv sind, und das Frühlingskind in der Endphase des Streikes die Dringlichkeit verstanden hat.
Das altbekannte Motto "Ich weiß, dass ich nichts weiß" bescherte mir schon in vielen Lebenslagen neue Ansätze und Herangehensweisen, die mir einen neuen Weg aufgezeigten. So auch hier! Auch wenn es sich um das dritte Kind handelt, und ich auf langjährige Stillerfahrung zurückblicken kann. Kinder sind unterschiedlich, dass man stets einen individuellen Weg im Kopf haben sollte, der von seinen altbekannten Mustern abweicht.Das erfordert manchmal jede Menge Mut oder auch nur einen sanften "Schubser" in Richtung "Jetzt probiere ich was Neues aus!".
Hilfreiche Links und Adressen
- Stillberaterinnen
- Stillberatung Inge
- Hebammen
- Stillambulanzen
- Medikamente in der Schwangerschaft un Stillzeit
Bücher zum Thema Stillen
- Das Stillbuch von Hannah Lothrop
- Stillen, ein guter Start von Gumberger/Hormann
- Intuitives Stillen von Regine Gresens
- Schlaf gut Baby! Herbert Renz-Polster, Nora Imlau
Wurdet ihr auch schon mal mit Stillproblemen konfrontiert? Wie habt ihr diese gelöst oder welchen Weg habt ihr eingeschlagen?
Tina