Flohmarkt
Mein Fund von heute. Eher spärlich, aber extrem günstig. Die Standler waren heute in Handelslaune :-)
Eine Müslischale mit Dots und 3 Vintage-Vorratsblechdosen (ich mutiere allmählich zur Dosensammlerin), davon eine mit einem Teebus für den überquellenden Tee zu Hause, eine ganz nach Jugendstil, die den Mief der letzten Jahrzehnte mit sich trägt, und zu allerletzt mein liebster Fund: eine alte Kinderdose der ehemaligen Zuckerl,-und Schokoladenfabrik Heller in Wien. Für Sophia.
Die Hellerfabrik wurde 1891 als “Zuckerwarenfabrik mit Dampfbetrieb” von den Gebrüdern Heller gegründet und konnte durch höchste Qualität seiner Produkte (die berühmten “Wiener Zuckerl” und Schokolade) bis nach Paris, London und N.Y. expandieren. Mit der Machtübernahme der Nazis wurde das Unternehmen jedoch arisiert, die Familie Heller vertrieben, und ein Bombentreffer legte den Betrieb lahm. Bis 1970 nahm die Produktion in impsovisierter Form seinen Lauf und wurde wegen der großen Konkurrenz schließlich eingestellt.
Bei meiner Recherche bin ich auf eine etwas andere interessante Literaturquelle gestossen.
Die Hellerfabrik war einst die südlichste Begrenzung des Baranka-Parkes in Wien Favoriten. Der Baranka Park ist benannt nach Mongo Stojkas Großmutter, die im Jahre 1941 von der Gestapo deportiert wurde. Der Park war sehr lange Zeit Lager- und Rastplatz der Sinti, Rom und Lovarafamilien, die ihre Teppiche, Stoffe und Pferde bis in das Grazer Becken handelten.
Die Hellerfabrik, ehemals berühmt für die Erzeugung von Zuckerwaren aller Art, ist die markante südliche Begrenzung dieses Platzes und gab ihm auch lange Zeit ihren Namen - Hellerwiese.
< em>Hellerwiese war Jahrhunderte Rastplatz für Roma
Zeitreise in eine unbeschwerte Kindheit
Vor 10 Jahren machte sich Mongo Stojka einmal pro Woche auf den Weg. Etwa 5 Kilometer sind es von seiner Wohnung im 6. Bezirk bis zur Hellerwiese. Jedes Mal ist es für ihn eine Zeitreise zurück in eine unbeschwerte Kindheit, die mit einem Schlag ein grausames Ende nahm. Die Hellerwiese, der heutige Belgradplatz, war drei Jahrhunderte Rastastation für Roma und Sinti. „Wir waren keine Gauner, sondern gutsituierte Leute. Die meisten lebten vom Pferdehandel, ” sagte Stojka. Für ihn waren die 220 Menschen, die sich von der Hellerweise aufmachten, um bis nach Triest zu ziehen, seine Familie. „Meine Großmutter war sozusagen die Stammes Oberste, eine Ärztin. Gegen alles hat sie ein Mittel gehabt, ” schwärmt der Vater von Harri Stojka.
Auf den damals noch unverbauten Flächen im Herzen von Favoriten sei Ausländerfeindlichkeit ein Fremdwort gewesen. Ob Matthias Sindelar, der auf ein „Kickerl” vorbeischaute, oder die Leute von der angrenzenden Heller-Fabrik, die den Roma Kindern Schokolade zusteckten: „Das Essen bei uns war aber auch wirklich ausgezeichnet, habe Mongo Stojka schon seinerzeit um die Beliebtheit seines Stammes der „Lovara” gewusst.
IDYLLE ZERSTÖRT
Doch diese Idylle war zerstört, als Österreich zur Ostmark mutierte. Die Gestapo ließ das Areal einzäunen und verschleppte 1941 alle Mitglieder vom Stojka Clan. „Mein Vater hat das damals schon irgendwie geahnt und ist mit uns in den 16. Bezirk gezogen”, erzählt Mongo Stojka. Als er eines Tages nichts ahnend die Hellerwiese aufsuchte, war sie leer. „Alle waren weg. Und niemand hat überlebt. Auch unsere Familie wurde zwei Jahre später deportiert. Mein Bruder und ich waren in Buchenwald, Flossenbürg, Auschwitz und machten beide den Todesmarsch mit.”
Über ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis sich Mongo Stojka traute diese Ereignisse niederzuschreiben. Sein Buch „Papierene Kinder” erschien beim Molden Verlag im Jahre 2000.
Ein Denkmal wurde unter einem roten Kastanienbaum errichtet; der Lieblingsbaum der Lovara. „Das musste ich für meine Leute tun. Und für mein Gewissen, ” sagte Stojka.
Wenn er so durch den Park spazierte, sah er seine Spielgefährten noch immer vor den Wohnwagen sitzen: „Ich sag’ dann immer ganz leise: Seht’s, ich hab’ euch ja doch nicht vergessen.
(Standard, 12./13. Februar 2000)